STATEMENT DER REGISSEURIN

 

Als ich Ende 2013 mit den Dreharbeiten zum Dokumentarfilm begann, tanzte ich selbst intensiv Tango. Ich tanzte so gut wie jeden Tag, oder sooft es eine Milonga gab. Als Fremde in Berlin und zuvor in Peking war der Tango mein zuverlässiger Freund geworden. Es war klar, wohin ich gehen und was ich tun konnte, um mich sozial zu integrieren. In Buenos Aires hatte ich so viel Privatunterricht genommen, dass ich meinen eigenen Ansprüchen an das Tanzvermögen langsam anfing zu genügen. Das Gefühl, mit dem passenden Tanzpartner in der Musik kreativ sein zu können, war einfach großartig.

Gleichzeitig warf der Tango immer mehr Fragen auf. In wessen Armen fand ich mich wieder? Wie wohl fühlte ich mich dort? Standen Sehnsucht nach Ausdruck und Einheit und tatsächliches Vergnügen in einem guten Verhältnis? Würde ich es schaffen, ausschließlich Spaß zu haben, und lernen, frustrierende Momente zu vermeiden? Ich merkte, dass diese Fragen nicht nur mich beschäftigten, sondern typische „Tango-Fragen“ zu sein schienen.

Außerdem fragte ich mich immer mehr, ob ich als Deutsche denn überhaupt den Tango begreifen könne. Und ob es denn überhaupt Sinn macht, sich einer fremden Melancholie hinzugeben, die nicht die meine ist. Ich war mir sicher, dass die Traurigkeit der Musik sich auf uns Tänzer übertrug.

All die Filme, die ich bisher über Tango gesehen hatte, schienen ganz andere Themen zu behandeln. Die sich gegenüberstehenden starken Emotionen von Freud und Leid der nicht-professionellen Tangotänzerinnen und -tänzer kamen mir vernachlässigt vor. Und das, obwohl die Szene weltweit riesig ist. Davon wollte ich erzählen.

Die Protagonisten, die ich für meinen Film aussuchte, hatte ich vorher schon lange fasziniert beobachtet, und so freute mich sehr, als sie sich bereit erklärten, mitzuwirken. Für alle fünf war der Tango nicht wegzudenken aus ihrem Leben. Sie pflegten diese Leidenschaft mit einer Sorgfalt, die mich sehr berührte.

Da es mir nicht darum ging, ein Porträt fünf einzelner Personen zu zeichnen, wurden zugunsten der Gesamtgeschichte manche Aussagen aus dem Kontext gerissen und damit verfremdet. Ich wünsche mir, dass die Betrachtung des Filmes zur Reflexion und Diskussion der eigenen Emotionen anregt.

 

mehr Informationen über meine künstlerische Arbeit unter: www.irene-schueller.de